Stellen Sie sich einmal vor, Sie müßten einen Neurologen konsultieren, weil ihre Hausärztin den Verdacht geäußert hat, daß Sie an einem Karpaltunnelsyndrom leiden. Stellen Sie sich weiter vor, Sie hätten auch recht bald einen Termin erhalten und die Praxis zu diesem Termin aufgesucht. Dann stellen Sie sich bitte vor, der Arzt käme aus seinem Sprechzimmer geschlurft, Körperhaltung und -aufmachung so, als sei er gerade aus dem Bett gekrochen, er schlurft an Ihnen vorbei, würdigt Sie keines Blickes, deutet mit dem Daumen lässig über seine Schulter und murmelt „Frau Schletterer, da rein!“, wobei er offen läßt, wo genau „da“ überhaupt ist.
Nun lassen Sie Ihre Phantasie bitte so weit gehen, daß er irgendwann fragt „Was hat sie denn?“ und Ihre Erklärung, Sie seien wegen des Verdachts auf Karpaltunnelsyndrom bei ihm, mit den Worten quittiert „Woher wissen Sie denn, wie sich das anfühlt?“. Ihre Entgegnung, Sie kennten genügend Leute, die sowas schon hatten, und Ihre Beschwerden paßten genau zu dem, was die jeweils von ihren erzählt haben, außerdem habe ihre Hausärztin Sie ja deswegen hierhergeschickt, läßt er zunächst unkommentiert. Bei dem Versuch, ihm klarzumachen, bei welcher Armbewegung die Beschwerden besonders heftig sind, strecken Sie Ihren Arm, worauf er Sie anranzt, Sie sollen das lassen, diese Armhaltung sei in Deutschland seit Jahrzehnten verboten.
Weiter geht unsere Phantasiereise damit, daß der Arzt Ihnen Fragen stellt, die Sie kaum verstehen, weil er nicht nur wie ein Penner aussieht, sondern auch so spricht, als habe er noch Restalkohol im Blut, und Ihre Aussage, Sie gingen einer Bürotätigkeit nach, mit „Das tut eine Politesse auch“ quittiert. Jetzt kommt hinzu, daß sich nach der Untersuchung herausstellt, daß es sich gar nicht um ein KTS handelt. Der Arzt kommentiert dies mit „Jaja, aber Hauptsache die Freundinnen gefragt, die ja alles immer ganz genau wissen!...“.
Dann stellen wir uns vor, er äußert den Verdacht, die Beschwerden kämen von der Halswirbelsäule, das werde er jetzt zuerst ausmessen, und Sie sollen sich nochmal ins Wartezimmer setzen, er habe da extra einen Kaffeeautomaten aufgestellt. Kaum sitzen Sie, rufen die Arzthelferinnen Sie an den Empfang und eröffnen Ihnen, daß jetzt ein Folgetermin ausgemacht werden muß, und daß zufällig morgen gleich einer frei ist. Daß Sie sich verwundert zeigen (weil Sie ja davon ausgegangen sind, daß die weitere Messung heute gleich gemacht wird, denn warum hätten Sie sich ansonsten nochmal ins Wartezimmer setzen und einen Kaffee trinken sollen?), verwundert im Gegenzug die Damen, und daß Sie nicht freudestrahlend zusagen, sondern zu bedenken geben, daß Sie berufstätig sind und nicht einfach so einen Arzttermin zusagen können, ohne Ihre geschäftlichen Termine gecheckt zu haben, verwundert sie noch mehr. Sie werden daraufhin mit „Dann sind Sie für heute fertig“ weggeschickt.
Stellen Sie sich das alles vor, und beantworten Sie mir die Frage: gingen Sie da nochmal hin? Sehen Sie, ich auch nicht.