Fast jedes Kind hat ja so seine Vorstellung davon, was es später mal werden will.
Ich erinnere mich nicht mehr daran, was mein erster Berufswunsch war, aber ich weiß noch ganz genau, daß ich damals sagte: „Zur Not geh ich halt uff d‘Sparkass‘.“
Die Sparkasse kam mir deswegen in den Sinn, weil mein Vater dort arbeitete; und weil mir das ein solider, aber eher langweiliger Job zu sein schien, kam ich gar nicht auf die Idee, dass „d‘Sparkass“ mich vielleicht gar nicht würde haben wollen. Für mich war klar: die suchen bestimmt händeringend Leute, die „sowas“ überhaupt machen wollen.
Im Lauf meiner Schuljahre merkte ich dann natürlich schon, welche Begabungen ich hatte, und was mir überhaupt nicht lag. So wußte ich z. B. sehr bald, daß ich sicher nicht zu denen gehören würde, die Medizin studieren wollen. Meine „Leistungen“ in Mathematik, Physik und Chemie sprachen generell gegen ein naturwissenschaftliches Studium.
Obwohl ich in Deutsch ab einer gewissen Klassenstufe keine sonderlich guten Noten mehr hatte, war ich aber in Fremdsprachen so begabt, daß ich bald davon träumte, Übersetzerin zu werden – zumal meine Übersetzungen von den Lehrern allgemein sehr gelobt wurden.
Es war für mich also ausgemachte Sache, nach dem Abitur ein entsprechendes Studium aufzunehmen. Allerdings war das, wie sich herausstellte, gar nicht so einfach mit einer nicht gerade prickelnden Deutschnote und einem Numerus clausus von 1,9 – einer Durchschnittsnote, die ich natürlich nicht vorweisen konnte.
Ich landete bei meiner Bewerbung auf Wartelistenplatz 352 (Abb. ähnlich), nicht wissend, daß ich mich jedes Semester neu hätte bewerben müssen, um irgendwie in der Liste nach vorn zu rücken. Aber da in jedem Semester ohnehin nur ca. 30 Leute aufgenommen wurden, war die anzustellende Rechnung sogar für mich eine einfache, und mir war klar, daß das nix wird mit meinem Traum. Da machte es auch nichts, daß ich mich nicht ein weiteres Mal bewarb.
Ich überlegte also, welchen Lehrberuf ich ergreifen könnte, und siehe da: ich hatte in Grundschulzeiten offenbar prophetische Fähigkeiten gehabt, denn in meiner Not ging ich halt zur Sparkasse.
Aber auch das war nicht so einfach, wie ich mir das damals so vorgestellt hatte, denn die örtliche Sparkasse wollte mich nicht nehmen, weil mein Vater noch dort arbeitete; und die benachbarte Sparkasse wollte mich auch nur ungern nehmen, obwohl mein Vater den dortigen Vorstandsvorsitzenden kannte, der von "Vitamin B" aber nicht sonderlich viel hielt. Dennoch rang er sich schließlich dazu durch, mir eine Chance zu geben. (Sein Kollege ließ mich das übrigens die ganzen acht Jahre, die ich dort arbeitete, spüren. Er ließ keine Gelegenheit ungenutzt, mir zu zeigen, wie unfähig er mich fand (was ich natürlich nicht war), und wie ungerechtfertigt meine Einstellung damals gewesen war.)
Mich belastete die Meinung dieses Herrn eher wenig, da ich vorhatte, nach der Lehre doch noch ins Studium zu gehen. Aber da mir kein Studiengang attraktiv erschien, wenn es nicht der zur Übersetzerin war, blieb ich nach meiner Ausbildung halt, wo ich war, und ging einem Beruf nach, für den ich morgens nur äußerst ungern aufstand. Sehr viel weniger Gefallen als ich kann man an diesem Beruf eigentlich nicht finden.
Rückblickend wundere ich mich sehr, daß ich, nachdem ich an der Aufnahmeprüfung für eine Weiterbildung gescheitert war und dies als Zeichen von oben gedeutet hatte, dass es nun wirklich Zeit ist, der Sparkasse den Rücken zu kehren, im weitesten Sinne doch im Bankgewerbe geblieben bin. Der Schwerpunkt liegt jetzt nur mehr auf dem IT-Bereich des Ganzen, was aber offenbar die ausschlaggebende und eigentlich wichtige Veränderung ist, mit der ich beruflich jetzt sogar einigermaßen glücklich geworden bin.
Aber ich gebe zu: wenn ich sehe, daß ich mein Wunschstudium heutzutage einfach so aufnehmen könnte, weil mittlerweile keine Zugangsbeschränkung mehr besteht, könnte ich kotzen.