Kürzlich habe ich ein Video gesehen, in dem eine Hornistin sich mit ihrem Orchesterkollegen Albrecht Mayer, der wohl einer der Oboisten Deutschlands überhaupt ist, über sein Instrument und die Schwierigkeit, es zu spielen, unterhalten hat.
Sie habe gehört, so eröffnete sie das Gespräch, daß Waldhorn und Oboe die am schwierigsten zu spielenden Instrumente seien. Er schaute daraufhin etwas skeptisch aus der Wäsche, und schon dachte ich: „Oh je, da will einer nicht einräumen, daß die Oboe nicht die Königin aller Instrumente ist.“ Und er begann dann auch entsprechend: Ja, sicher sei das Waldhorn sehr anspruchsvoll, der Ansatz undsoweiter sei natürlich nicht ganz einfach… (Der Mann wurde mir langsam unsympathisch.)
Aber, so sprach er weiter, wenn man mit einem Horn aufs Feld gehe oder im Wald spiele, dann klinge das immer noch wunderschön. Wenn man hingegen mit einer Oboe im Freien spiele, dann klinge das wie eine Stubenfliege im Doppelglasfenster. Eine Oboe brauche immer Wände, an denen der Klang sich entwickeln könne.
Und da mußte ich dann doch lachen. Es ging ihm also gar nicht darum, die Oboe als die größte Herausforderung an den Instrumentalisten und die Oboisten als die Helden der Musik hinzustellen, sondern die eher eingeschränkten Einsatzmöglichkeiten der Oboe zu bejammern. Und das erklärte dann auch, wieso er das Waldhorn als weniger problematisch beschrieb. Gut, daß ich bis zum Ende zugehört habe und seinen Humor noch kennenlernen durfte.
Irgendwie fielen mir bei dem Ganzen, obwohl nicht wirklich vergleichbar, dann wieder die Ansichten zweier Blockflötisten ein, die über ihr Instrument so völlig unterschiedliche Aussagen machten, daß diese Aussagen ziemlich viel auch über die beiden Personen offenlegten (bzw. meinen Eindruck bestätigten, den ich von den beiden hatte und habe).
So erklärte Maurice Steger wiederholt, die Blockflöte sei ja so unfaßbar schwierig zu spielen, da quasi nur ein Profi überhaupt einen schönen Ton damit produzieren könne, weil der Ton halt immer so gerate, wie der jeweilige Spieler die Luft fließen lasse... Und die Aufgabe der Finger sei an der Blockflöte insofern anspruchsvoller, als dort keine Hilfsmittel wie Klappen oder Tasten zu finden seien. Inwieweit Klappen an der Oboe oder Tasten am Klavier die Sache für den Anfänger vereinfachen, ließ er offen, außer daß er das Piano noch als übersichtlich beschrieb und daher als Einsteigerinstrument für geeigneter hielt. (Daß er nicht die für die Blockflöte notwendige körperliche Fitness erwähnte, die er zweifellos für seine "Gymnastik" auf der Bühne braucht, war grad alles. Er vollführt beim Spielen nämlich eine regelrechte Choreographie, geht in die Knie, tanzt hin und her, zieht die Schultern über die Ohren, schwenkt sein Instrument von links nach rechts usw.)
Michala Petri dagegen sagte mal, es sei sehr einfach, auf der Blockflöte einen Ton zu erzeugen, man müsse nur hineinblasen. Und es sei auch total easy, auf der Blockflöte schnell zu spielen, man brauche halt eine gehobene Kontrolle über die Finger. Die langen, getragenen Töne seien viel schwieriger, weil man da aufpassen müsse, die Intonation im Griff zu behalten. Da brauche es sehr viel Übung, sonst klinge die Flöte schräg.
Nun, so ganz unterschiedlich sind die Meinungen dieser beiden Musiker über ihr Instrument in Summe wohl nicht, aber es ist m. E. bezeichnend, wie unterschiedlich sie geäußert wurden. Wo Maurice Steger das, was er kann, in den Himmel hebt, bleibt Michala Petri eher sachlich-nüchtern. So bemerkte sie mal in einem Gespräch mit einem "ihrer" Komponisten, der ihre wundervolle Tongebung hervorhob, die wie eine schöne Pflaume so rund sei und so garnichts Wobbliges habe, das sei halt die Spieltechnik. Wenn man seine Komposition spiele und das Organische daran bemerke, gebe das doch aber im Grunde schon vor, daß nur diese Spielweise die einzig richtige für das Stück sein könne.
Beide, Steger und Petri, brauchen der Welt eigentlich nicht (mehr) zu beweisen, wie brillant sie sind, die Welt weiß es längst (d. h. beide haben ihre Bewunderer) – einer davon hat aber offenbar ein Bedürfnis nach "Show" und trommelt auf seine Brust.
Naja, wenn‘s ihm gut tut, lache ich so lange noch weiter über die Stubenfliege im Doppelglasfenster…