Gestern abend hat I., eine meiner Blockflötenkolleginnen, der Leiterin unseres Flötenkreises ein schlau gemachtes Schnippchen geschlagen.
Aber lassen Sie mich von vorn beginnen: vor ein paar Wochen hat E., unsere Leiterin, uns in einer Probe für die gestrige Adventsandacht Noten eines Stücks auf die Pulte gestellt, das uns allen nicht sonderlich gefiel. Zum Advent paßte das u. E. nicht sehr gut. Am meisten sprach aber gegen das Lied, daß es zu Beginn in Es-Dur und in der zweiten Hälfte in As-Dur steht. (Vielleicht sind es auch Molltonarten, auf jeden Fall stehen da 3 bzw. 4 B als Vorzeichen.) Das ist nicht ganz einfach, zumindest können wir sowas nicht einfach so vom Blatt spielen. Wir lehnten es also kategorisch ab, das Stück ins Programm aufzunehmen. Resigniert meinte E. da: „Dann frag‘ ich halt die I., die kann das sicher spielen.“ I. ist allerdings nur noch sporadisch Mitglied unseres Ensembles, weil sie beruflich bedingt oft nicht in die Proben kommen kann. Sie mußte also separat über diese „Überraschung“ informiert werden. Wurde sie auch, mit dem Tenor „ich hab‘ da was für dich, das kriegst du hin“.
Nun, zwei Abende vor dem gestrigen Ereignis überreichte E. ihr die Noten und erklärte rasch und so im Vorüberfliegen, wie sie sich das gemeinsam vorzutragende Stück vorstelle, sagte am Ende aber noch: „Spiel dann einfach, was du hinkriegst.“
Also hat I. an dem einzigen ihr verbleibenden Abend zu Hause die Überstimme geübt, weil die von allem noch das Einfachste war, auch in dem Gedanken, daß E. ja auf dem Klavier eh die Melodie und die Restbegleitung zu spielen hatte.
Es kam allerdings, wie es kommen mußte: E. verlangte dann gestern eine viertel Stunde vor Andachtsbeginn, daß I. bitteschön die Melodie spielen solle (weil die unter der Überstimme so „verloren“ gehe), die I. ja aber gar nicht geübt hatte, und mit der sie sich - wenig überraschend - dann schwer tat. Was machte I. da? Sie hatte eine blendende Blitzidee und verkündete, die Melodie sitze für die Flöte aber sehr tief, und das klinge im Wechsel mit der sehr hohen Überstimme, die sie in den vorderen und hinteren Takten zu spielen hatte, nun wirklich nicht gut. Sie lasse in den entsprechenden Takten die Überstimme einfach weg, und dann höre man das Klavier mit der Melodie ja sehr gut.
Gell, das siehst du doch aus so?, fragte sie dann mit geweiteten Augen an mich gerichtet. Ja, natürlich sah ich das ganz genauso! Es sei doch viiiiel besser, wenn E. die Melodie auf dem Klavier alleine spiele und I. am Ende mit der Überstimme wieder hinzukomme.
Da merkte E. offenbar, daß sie das Stück gar nicht spielen würden, wenn sie dem jetzt nicht zustimmte. Und mit vor Konzentration fest zugekniffenen Lippen mühte sie sich durch die allein zu spielenden Passagen, während I. eine unverschuldete Blamage erspart blieb.
So muß das, meine Herrschaften!