Heute berichte ich einfach mal aus lauter Freude über den gestrigen Abend, der so schön war wie schon lange keiner mehr!
Bei uns im Dorf lebt ein Bäcker (der im übrigen eher wie ein vegan lebender Marathonläufer aussieht als wie ein Bäcker), dessen (gar nicht so geheime) Leidenschaft es ist, Schlager aus jeweils einer bestimmten Epoche zusammenzustellen, eine Story drumrum zu schreiben und auf dieser Grundlage mit einer Truppe von ca. 10 Leuten alljährlich im Oktober eine Musicalaufführung auf die Beine zu stellen.
Gestern war es wieder so weit.
„Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern“ war der Titel der gestrigen Aufführung, und gesungen wurden Schlager aus den Zwanzigern. Darum rankte sich allerdings eine sehr unterhaltsame Geschichte von drei Matrosen und einem Kapitän, die das Liebesglück suchen, und einer rachsüchtigen Diva, die nach Jahrzehnten aus New York nach Hamburg zurückkehrt, um ihre Rivalin, die ihr damals den Liebsten ausgespannt hat, finanziell zu ruinieren.
Alle Darsteller singen selbst und live, sind Leute wie du und ich aus dem Dorf und machen ihre Sache, auch schauspielerisch, wirklich ganz großartig! Und Erich, der Autor, achtet beim Schreiben auch immer gleich mit drauf, daß die Rollen den Darstellern und Darstellerinnen sozusagen auf den Leib geschrieben sind.
Eine der Mitwirkenden hat immer eine reine Sprechrolle inne (gestern war sie Frau Paulsen, die Inhaberin eines Varieté-Theaters, dessen Gesangs-Stars von der Diva eigenhändig entführt und am Ende von einem Garderobenmädchen und einem der Matrosen aufs wunderbarste ersetzt werden), ist als Schauspielerin aber so beeindruckend gut, daß keiner auf die Idee kommt, drüber nachzudenken, wieso sie nicht singt. Sie kann’s oder will’s halt vermutlich nicht, aber die Rollen, die Erich für sie schreibt, sind immer so in die Story eingebettet, daß da nix fehlt, nur weil sie ausschließlich spricht. Denn so erstklassig, wie sie das macht, kommt da so schnell niemand ran.
Gestern begeisterte mich allerdings besonders die rachsüchtige Diva, gespielt von Beate, einer Bekannten aus dem Flötenkreis, in dem ich mitspiele, die auch Prädikantin in der örtlichen Kirchengemeinde und demnach das freie Sprechen vor Publikum durchaus gewohnt ist. Sie war gestylt als hosen- und krawattentragende Exotin mit schwarzer Bob-Frisur, wie sie in den Zwanzigern so angesagt war, war grellbunt geschminkt und mimte die weitgereiste (etwas zwielichtige) Dame von Welt so großartig, daß da kein Auge trocken blieb. Wenn sie mit ihrem Kinderfaschingsrevolver den Leuten vor der Nase rumfuchtelte, ging jeder in Deckung – selbst das Publikum.
Bleibt nur noch zu ergänzen, daß die Seemänner am Ende tatsächlich fanden, wonach sie sich sehnten, mit der Liebsten und ihrem glockenhellen Sopran singend „in den siebenten Himmel der Liebe“ segelten, und daß auch Bloody Mary (die Diva) und Frau Paulsen (die frühere Rivalin) sich am Ende wieder vertrugen, weil Waldemar, der Mann des gemeinsamen Begehrens, sich damals als Heiratsschwindler entpuppt hatte und Mary somit ihrem frühzeitigen finanziellen Ruin gerade noch entkommen war und Frau Paulsen also eigentlich dankbar sein mußte.
So was Tolles! Das war ein Abend, an den ich noch lange zurückdenken werde! Danke an alle Mitwirkenden!