Frau Schletterer singt nicht mehr

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Homeoffice - quo vadis?
27.09.2024 11:59

Also echt jetzt! Manchmal kommt man aus dem Staunen kaum mehr heraus, wenn man sog. Fachartikel liest!
Finde ich doch heute auf stern.de allen Ernstes einen Artikel über den (leicht sinkenden) Anteil an Homeoffice-Angeboten in aktuellen Stellenausschreibungen.
Es werde nur in ca. 12% aller Ausschreibungen der Begriff „Homeoffice“ überhaupt erwähnt. Die Nachfrage nach Remote-Arbeitsplätzen steige aber nach wie vor, da die Arbeitnehmerschaft sich in Zeiten der Pandemie daran ja gern gewöhnt hat.
Hier sind wir schon mal beim ersten Denkfehler, den dieser Artikel macht. „Homeoffice“ ist nämlich sehr genau definiert, und nicht jeder Arbeitsplatz, bei dem Homeoffice nicht erlaubt ist, läßt die Möglichkeit, remote zu arbeiten, wirklich vermissen. Bis zu einem bestimmten Prozentsatz an „Arbeiten zu Hause“ ist das nämlich kein Homeoffice, sondern sog. „mobiles Arbeiten“.  Wenn vom Arbeitnehmer bis zu 50% der Arbeitszeit zu Hause (oder eben nicht vor Ort in der Firma) abgeleistet werden dürfen, hat der Arbeitgeber den schönen Vorteil, die Ausrüstung für dieses mobile Arbeiten (sic!) nicht stellen zu müssen, sondern vom Arbeitnehmer erwarten zu dürfen, daß er sich Tisch, Stuhl, Telefon und sogar Computer bitte selbst beschafft. Ansonsten steht es ihm ja frei, seine Arbeit komplett in Firmenräumen zu leisten.
Erst ab 50% (und folgedessen darüber) mobiler Arbeit heißt das Kind „Homeoffice“, und dann muß der Arbeitgeber auch die komplette Ausrüstung stellen. Das heißt im Klartext: Schreibtisch, Stuhl, Telefon, Computer und sonstiges Büromaterial. Genau so, wie wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit in Firmenräumen verrichten würde. Das ist natürlich genau abzuwägen, ob das noch attraktiv für einen Arbeitgeber ist. Soviel dazu. 
Im weiteren Verlauf liest man dann in diesem Artikel Dinge, über die man nur den Kopf schütteln kann. Zeigt selbiger Text doch tatsächlich Erstaunen darüber, daß Homeoffice vor allem in bestimmten Branchen und vor allem in bestimmten Branchen NICHT angeboten werde. Nun, kann man sich wirklich darüber wundern, daß in den Branchen Transport, Handwerk, Medizin und Gastronomie so gut wie kein Homeoffice ermöglicht wird? Wie, bitte schön, soll ein Klempner denn meine Regenrinne reparieren, wenn er im Homeoffice sitzt? Und sollen die Gäste des „Goldenen Hirschen“ ihre bestellten Getränke beim Kellner zu Hause abholen? Erstaunt soll man sich vermutlich auch darüber zeigen, daß Dr. Metzger seine Blinddarmoperationen nicht auf dem heimischen Wohnzimmertisch durchführt. Und auch in Zeiten des Internethandels muß irgendein Lieferwagen mir meine bestellte Ware ja beischaffen. Noch kann mir die niemand nach Hause beamen.
Daß ich hingegen Steuererklärungen sehr komfortabel auch zu Hause prüfen, Personalangelegenheiten auch im Homeoffice klären und die nächste Projektmanagementsitzung in meiner Küche organisieren kann, kann doch nicht wirklich verwundern, oder?!
Daß durch die Natur der einzelnen Branchen und Berufe immer eine Art der Ungerechtigkeit herrschen muß, was die Möglichkeiten des Remote-Arbeitens angeht, kann doch nicht wirklich eine so erstaunliche Erkenntnis sein, daß man so einen Text abdrucken muß!
Einzig die ungleichmäßige Verteilung von Homeoffice-Jobs über die einzelnen Bundesländer mag vielleicht zum Nachdenken anregen. Aber auch da sollte es nicht überraschen, daß ausgerechnet in Hessen, wo die Finanzbranche geballt ihre Zentren aufgestellt hat, ein höherer Anteil an Homeoffice-Möglichkeiten besteht.

 

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