Frau Schletterer singt nicht mehr

17
Fe
Dilemma mit mehreren Personen
17.02.2020 10:23

Wir haben ja alle sicher schon oft von dieser angeblich typisch deutschen Angewohnheit gehört, im Urlaub am Hotelpool eine Liege mittels Auflegen eines Badetuches in der Weise zu markieren, daß die Liege als belegt bzw. in Nutzung erkennbar ist.
Daß die Handtücher meist schon in sehr frühen Morgenstunden dorthin gelegt werden, also zu einer Zeit, zu der der gemeine Handtuchbesitzer wieder zurück in sein Bettchen schleicht, um noch ein paar Stunden Schlaf anzuhängen, ist auch allgemein bekannt. 
Dieses Reservieren von Liegestühlen wird in der Soziologie als „Gefangenendilemma mit mehr als zwei Personen“ bezeichnet.
Sich im Urlaub in einem Dilemma zu befinden, noch dazu in einem Gefangenendilemma, ist sicherlich kein sehr angenehmes Gefühl. Allerdings wissen die meisten Handtuchaufleger von dem Phänomen eines Gefangenendilemmas wohl nichts und packen ihre Badetücher in der Folge völlig entspannt auf „ihre“ Liegen.
Das Gefangenendilemma betrachtet das Phänomen, daß – unterstellt, daß 2 Gefangene zurecht mehrerer kleiner, jedoch zusätzlich desselben schwerwiegenderen Verbrechens beschuldigt werden und vor der Wahl stehen, entweder zu gestehen oder abzustreiten – die involvierten Personen beim Strafmaß dann besonders günstig davonkommen, wenn sie sich entweder auf Gestehen oder Abstreiten einigen oder als alleiniger Geständiger die volle Schwere des Strafmaßes dem Abstreitenden aufbürden. Sie stehen also vor der Entscheidung: gehe ich volles Risiko und streite das Verbrechen ab in der Hoffnung, auch der andere streitet ab, so daß ich des Verbrechens nicht überführt werden kann und nur für die kleineren Vergehen verknackt werde? Oder gebe ich es zu in der Hoffnung, der andere streitet ab, und ich kann als Kronzeuge fungieren, straffrei davonkommen und den anderen voll in die Sch…, ääh... Höchststrafe reiten? Zugeben ist allerdings verbunden mit dem Risiko, auch der andere gibt es zu, was mir aber zumindest die Höchststrafe erspart.
Abstreiten bringt also das zweitbeste Ergebnis, aber nur dann, wenn der andere es auch tut. Tut der es nämlich nicht, ist Abstreiten die schlechteste Wahl überhaupt. Gestehen bringt das beste Ergebnis, aber nur, wenn der andere es nicht tut. Ansonsten, tja, wie gesagt, ab in den Knast, aber wenigstens keine Höchststrafe.
Da bei dieser theoretischen Situation sich aber die beiden Gefangenen nicht miteinander abstimmen können, befinden sich beide in einem Dilemma.
Nun zurück zu den Liegen am Pool: würde niemand sein Handtuch auf eine Liege legen, bestünden für alle dieselben Chancen, beim Badeantritt eine freie Liege vorzufinden. Das klappt aber eben halt nur dann, wenn alle sich daran halten, auf dieses Reservieren zu verzichten. Ein Dilemma, Sie sehen es!
Und wenn man sich dafür entscheidet, den Liegenbelegenmumpitz nicht mitzumachen, schaut man am Ende dumm aus der Wäsche, weil die menschliche Natur halt eben doch zu Egoismus neigt und lieber sicher geht, als daß sie nach einem Prinzip aus der Soziologie handelt, dessen Fachterminus „Gefangenendilemma“ eher ängstigt und jemandem ohne Fachkenntnis wenig Anlaß zu Optimismus gibt.
 

Kommentare


Datenschutzerklärung