Vor etwas mehr als 20 Jahren zog ich zu meiner jetzigen Frau aufs Land.
Sie ist seit ihrer frühen Kindheit Mitglied in einem Traditionsverein am Ort und schon seit recht früher Jugend in dessen Vorstand tätig.
So kam es, daß auch ich mich breitschlagen ließ, da mitzumachen, obwohl mir Vereinsarbeit überhaupt nicht liegt. Aber nun ja…
Als ich als damals dazustieß, war es üblich, an dem Sonntag, der dem Nikolaustag am nähesten lag, eine Nikolauswanderung mit anschließender Feier abzuhalten, in der auch immer der Belznickel kam, der in Reimform das Jahr revue passieren ließ und die Kinder mit kleinen Geschenken beglückte.
Das machte der Herr, der übrigens auch ein Vereinsmitglied war, immer sehr gut; allerdings hat er das „Amt“ aus Altersgründen aber dann abgegeben. Einen Nachfolger zu finden, war in den Reihen des Vereins quasi unmöglich, weil die damaligen Mitglieder mehrheitlich derselben Generation angehörten wie der Herr, der sein Amt aus Altersgründen abgab, was bedeutete, daß für die anderen Männer im Verein eine allzu lange „Amtszeit“ als Belznickel auch nicht mehr in Frage kam, sie die Aufgabe also gar nicht erst übernehmen wollten.
Also bekam ich den Job. Hinter Bart, Mütze und Mantel würde ich als Frau so direkt nicht erkannt werden, und wenn ich meine Stimme senkte, ginge ich bestimmt als guter Belznickel bei den Kindern durch. Rasch einen gereimten Jahresrückblick aufgesetzt und mit Erfolg mein Debut bestanden!
Weil das so gut geklappt hatte, durfte ich natürlich auch in den Folgejahren ran.
Meine Frau hatte dann irgendwann einmal die Idee, ich könnte mich bis zum Auftritt des Belznickels im Nebenraum des Veranstaltungssaals verstecken, wo allerlei Gerätschaften und „Material“ des Vereins gelagert waren. Da waren Einkochtöpfe, Verkaufsbuden, Currywurst-Schneider, Plastikwannen für 100 Portionen Kartoffelsalat, Salatbestecke, Pappteller usw. zu finden, halt alles, was ein Verein so braucht, wenn er eine Veranstaltung für die Bevölkerung anbietet.
Ich saß also da hinten in meinem Stübchen, als auf einmal die Natur nach ihrem Recht rief. Und zwar die, die hinten raus was wegschaffen will. Ich war schon in mein Kostüm gewandet, und irgendwie kam es für mich nicht in Frage, jetzt da rauszugehen, durch den Saal zu marschieren, die Kinder zu ignorieren, um meinen Weg zur Toilette zu bahnen. Ich mußte irgendwie durchhalten. Aber das gelang mir nicht. Bald wurde klar: das geht in die Hose!
Eine Lösung mußte her! Und da sah ich sie im Eck stehen: ein großer, dunkelroter Einmachkochtopf, auf den mein Hintern genau draufpaßte! Eile war geboten! Ich ließ also die Hosen runter und erleichterte mich. Allerdings schlug die Erleichterung umgehend in Panik um, als ich erkannte, daß der Deckel zum Topf nirgends zu finden war. Wenn jetzt die Tür aufginge, wäre ich geliefert! In allerletzter Sekunde fand ich den Deckel dann aber doch noch, machte den Topf zu und ging hinaus, um meinen Auftrag zu erfüllen. Als mein Auftritt vorbei war, setzte ich meine Frau über das Geschehene in Kenntnis. Sie ging mit mir nach hinten und bestätigte mir nach einem kurzen Blick in den Topf, daß jener zu entsorgen sei, komplett mit seiner aktuellen Befüllung. So ging sie mir mit gewichtigem Gesichtsausdruck voran, und ich trug die scheinbar kostbare Last mit würdiger Miene mitten durch die Gästeschar nach draußen und lud den Topf in mein Auto. Der Rest ist Geschichte.
Bis heute wundere ich mich darüber, daß sich (und mich) damals niemand gefragt hat, was ich denn da Gutes aus dem Hause schaffe. Denn Kochtöpfe sind ja im allgemeinen dafür bekannt, Leckereien zu beherbergen, vor allem in der Advents- und Weihnachtszeit.